Stolpersteine für die Ohren
Foto: Johanna Hertel

Die Sendung zum Nachhören:
Jüdische Kultur in Leipzig - der widmet die Stadt seit 1995 jährlich eine Themenwoche. Dazu ist bei M19 Marco Helbig zu Gast - Historiker, Religionswissenschaftler und auch Leiter einer Ausstellung im Ariowitsch Haus, einem jüdischen Begegnungszentrum in Leipzig. Während nach 1945 rund 45 Juden und Jüdinnen in Leipzig lebten, besteht die Gemeinde in der Keilstraße heute aus 1300 Mitgliedern und wächst stetig.
Leipzig ist ohne Judentum garnicht denkbar.
Marco Helbig
Marco Helbig ist selbst ist kein Jude, bezeichnet sich aber als Jude im Herzen: Seit Kindertagen begeistert er sich für die jüdische Kultur. Vor der Schoa war die jüdische Gemeinde Leipzigs die 6. größte Gemeinde Deutschlands. Da müsse es ein gutes Zusammenleben gegeben haben. Trotzdem gab es auch vor 1900 schon Antijudaismus und einen Ausschluss der Juden.
Reformpädagogik vor 100 Jahren
Zu dieser Zeit wirkte auch der Rabbiner Ephraim Carlebach in Leipzig. Seinem 140. Geburtstag ist eine Ausstellung Helbigs im Ariowitsch Haus in Leipzig gewidmet. Marco Helbig hat über den Rabbiner dissertiert und seine Nichte in Israel kennengelernt. Der orthodoxe Rabbiner gründete in Leipzig eine Schule und ist insbesondere aufgrund seiner pädagogischen Vorreiterrolle bekannt: Carlebachs Schule war die erste orthodoxe Schule Sachsens - nicht wie damals üblich gab es hier am Schabbat keinen Unterricht.
Die Regeln die einem das orthodoxe Leben auferlegt zu befolgen, aus tiefstem Glauben. Aber dann eben trotzdem so einen modernen Weg zu wählen ... ne super Art mit Religion auch zu leben.
Marco Helbig
Noch vor der später aufkommenden Montessoripädagogik gab es hier Lehrer aus allen Konfessionen. Die Schüler und Schülerinnen sollten anstatt Frontalunterricht die Themen nun selbst erarbeiten.
Rappend eine Brücke in die Vergangenheit schlagen
Die Biographie Carlebachs verpackt Marco Helbig in einem seiner Raps. In den Songs, die Titel tragen wie "Stolpersteine" rappt aber nicht nur er selbst, auch Kinder haben sich mit Carlebach auseinandergesetzt - Helbig hat in einem Schulprojekt mit Jugendlichen Rap-Workshops gemacht.
Durch den Rap will er Kinder und Jugendliche auch an Geschichten wie die von Carlebach heranführen. Er will die Jugendlichen für die Geschichte begeistern, um Toleranz in der Gesellschaft schaffen: Sie sollen sehen, wie divers die Gesellschaft ist und jeden Menschen annehmen wie er ist.
Die Jugend wird nicht nur als stagnierende Masse bezeichnet, die Jugend ist auf dem Weg sich zu verändern.
Marco Helbig
Bei den Rap- und Poesie Workshops sind 25 Songs entstanden, die von Carlebachs Lebensgeschichte handeln, aber auch von den Geschichten der Jugendlichen selbst: Ausgrenzung und Mobbing sind häufig aufgebrachte Themen.
Beispiel aus der Schule Halle Saale:
Diese sind auch Teil der Carlebach-Ausstellung im Ariowitsch Haus, die noch bis Ende des Jahres besichtigt werden kann.
Marco Helbig plant bereits das nächste Projekt: Bei "Rap against hate" soll es außer Rap und Poesie Workshops dann auch noch Einführung in Graffiti und Fotografie geben. Außerdem geht dieses über die Schulklassen hinaus, Helbig will nun auch in Gefängnissen über Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit musikalische Anstöße geben.
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