Kopf aus, Bier rein
hunger.93

Die sieben Mitglieder der 102 Boyz haben mit der „Asozial Allstars“-Reihe schon einige Klassiker für den Deutschrap-Untergrund geliefert. Mit ihrer Beteiligung am Song „Bier“ mit BHZ haben sie außerdem auch schon über den Untergrund und die Rap-Community hinaus von sich reden gemacht. Nach etlichen EPs hat die Crew jetzt ihr Debutalbum „102“ veröffentlicht. Die Jungs, die vor allem für Konsum von allem, was berauscht, rotzige Attitüde und Lautstärke bekannt sind, setzen diesen Weg hier gnadenlos fort.
Asozial Allstars
Chapo, Stacks, Addikt, Kkuba, Duke und Skoob haben in den letzten Jahren immer mehr gezeigt, dass sie auch allein oder als Zweierteams ordentlich abreißen können. Für ihr Album haben sich, nach längerer Zeit, wieder mal alle an einem Tisch versammelt und präsentieren der Szene, wofür sie berüchtigt sind: Abriss. Der Kopf geht aus, das Bier geht rein und die 808 macht keine Gefangenen. Für viele der brachialeren Songs des Albums ist 102-Stammproducerteam THEHASHCLIQUE verantwortlich. Auf Tracks wie „Fightclub“ oder „Da rein da raus“ arbeiten sich die Jungs auf sehr unterhaltsame Weise an ihren Lieblingsthemen ab. Es wird gesoffen, geballert, auf die Gang vertraut und auf den Rest geschissen.
Asozial Allstars, das ist ne Bewegung
Das ist ne Familie mit Hirnlappen-Lähmung
Es kennt keine Charme und es kennt keine Regeln
Eintausend Probleme zerplatzen im Pegel
Chapo auf Action Pt. 2
Auch der polnische Bezug, der schon immer bei 102 präsent war, wird hier fortgesetzt. Kkuba und Duke haben beide polnische Wurzeln und es schon immer verstanden, diese mit dem Sound und der Mentalität ihrer Gruppe zu verknüpfen.
Neue Facetten
So sehr, wie ihr Debutalbum ihre klassischen Stärken präsentiert, zeigt es auch, dass die 102 Boyz eine nicht zu verachtende Entwicklung durchgemacht haben. Während sie sich ihrer Linie treu bleiben, finden sich auf der Liste der Beteiligten trotzdem einige musikalische Hochkaräter mehr als früher. Einige Beats stammen aus der Feder von Deutschrap-Producing-Eliten, wie Lucry & Suena oder Jambeatz. Letzterer ist verantwortlich für den Feature-Song mit Lil Toe, für dessen Hook die Boyz über die deutsche Grenze hinaus, bis nach Florida connected haben.
Neben einer größeren Vielfalt an ProduzentInnen hat sich auch das Themenspektrum erweitert. Neben Turn Up und harten Lyrics zeigt das Album auch eine emotionalere Seite der Jungs. Dabei wird auch zurückgeblickt und überlegt, was man anders gemacht hätte.
„Viel zu jung angefangen, heute kann ich´s nicht lassen
Bin schon untergegangen, hab mich grad so gefangen
Und in mir tobt das Verlangen nach allen Substanzen
Wär ich damals schlau gewesen, hätte ich widerstanden“
Addikt auf „Kreislauf“
Aber vor allem die Songs über vergangene Beziehungen gibt dem Album eine emotionale Facette, die man in dem Umfang noch nicht von 102 gewohnt ist. Hier mildert sich auch mal der sonst so raue Tonfall – wenn auch nur ein wenig.
Ein Rück- und ein Ausblick
Die 102 Boyz liefern hier eine musikalische Dualität. Mit ihren Stammproduzenten, Turn Up und einem Feature aus dem BHZ-Kollektiv bleiben sie ihrer Linie treu. Sie zeigen, dass sie nichts verlernt haben und weiterhin Spaß an asozialem Sound haben. Mit mehr gefühlvollen Elementen und alten Liebschaften fließt aber auch stark eine Komponente ein, die lange weniger Platz auf 102 Boyz Releases hatte. Das Album ist ein Meilenstein ihrer musikalischen und inhaltlichen Entwicklung, die damit aber wohl noch lange nicht ihren Zenit erreicht hat.
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