Bauchnabelschmiere, Parasiten, Wutbürger
Foto: Paula Christoph

Mit seinem Buch „Folge dem weißen Kaninchen“ hat Philip Hübl im Jahr 2012 einen Treffer gelandet – auf leichte, fast fluffige Art und Weise brachte er philosophische Themen wie Schönheit, Willensfreiheit oder Liebe aufs Papier und begeisterte damit die Leserschaft. Sieben Jahre später kann von Leichtigkeit keine Rede mehr sein, jedenfalls, wenn man sich die Nachrichten anschaut: PEGIDA-Demonstrationen, Anschläge auf Geflüchtetenheime, Hasskommentare… Und über allem scheint eine Emotion zu stehen: Wut und blanker Hass.
Igittigitt
Das scheint Hübl anders zu sehen. Für ihn gibt es vor allem eine Emotion, auf die alles zurückzuführen ist: der Ekel. Sollte dem Lesenden so weit bekannt sein. Damit man sich wirklich sicher ist, was Hübl mit Ekel meint, schreibt der Autor beinahe genüssliche eine Liste von Körperflüssigkeiten, Kriechgetier und andere Ranzigkeiten.
Also, wovor ekeln wir uns? Erstens vor all dem, was vom menschlichen Körper kommt. Die vollständige Liste von oben nach unten lautet: Haare, Schuppen, Talg, Schlafsand, Ohrenschmalz, Schnodder und Popel, Speichel, Hustenschleim, Mundgeruch, Erbrochenes, Eiter, Blut, Schweiß, Bauchnabelschmiere, Sperma, Smegma, Vaginalflüssigkeit Urin, Kot, Blähungen, Hautreste, sowie Finger- und Fußnägel.
Auszug aus "Die aufgeregte Gesellschaft"
Die Liste wird dann noch munter weitergeführt. Wer sich fragt, was das jetzt mit Moral zu tun haben soll, wird nicht lange im Dunkeln gelassen. Ein Beispiel: Zwei Geschwister schlafen miteinander. Sie verhüten und niemand erfährt davon. Sie wiederholen es nie wieder und ihre Bindung ist danach noch enger. Ist das falsch? Ja, meinen wohl intuitiv die meisten. Obwohl niemand zu Schaden kommt?
Was macht Moral aus?
Hübl führt einige solcher Gedankenexperimente in seinem Buch durch. Sie sind kontrovers und in der ersten Intuition recht einfach zu lösen. Die Überlegungen und Ansätze, die Hübl danach erklärt, lassen die vorschnellen Urteile aber schnell brüchig werden. Das, was wir dann empfinden, nennt Hübl moralische Sprachlosigkeit. Und da sind wir wieder bei der Bedeutung vom Ekel. Ekel kann laut Hübl auch ein moralisches Urteil fällen. Wir entscheiden, ob eine Handlung richtig oder falsch ist, das sieht man an dem ersten Beispiel. Ekel ist aber nur eine Emotion, die Moral beeinflusst: Zorn, Angst, Mitgefühl, Scham und Schuld bilden laut Hübl die Einflüsse, die Meinungen prägen.
Politisches Rumgeekel
Vor allem der Ekel zieht sich durchgängig durch Hübls Buch. In den drei Teilen des Buches ("Moral", "Politik", "Gesellschaft") taucht er immer wieder auf. So kommt der Begriff „links-rot-grün-versifft“ nicht von ungefähr – es kommt von Syphilis. Die Wahlkampfstrategie von Trump oder die Rhetorik der AfD – laut Hübl lässt sich das auf Ekel zurückführen. Auch in der Verrohung der Sprache sieht Hübl Muster:
Das rechte Lager verfolgt die politische Taktik, Ekel in den Wählern hervorzurufen. Weltweit verunglimpfen Menschen Außengruppen, Menschen und Minderheiten, indem sie Aussehen, Speisen und Sitten der Fremden als widerlich erscheinen lassen. Wer eine menschenfeindliche Gesinnung hat, neigt besonders dazu, andere Gruppen durch abfällige Sprache auszugrenzen.
Auszug aus "Die aufgeregte Gesellschaft"
Konservative Ernährung, Progressive Kleidung
Immer wieder greift Hübl sehr aktuelle Beispiele auf: Flüchtlingskrise, Rechtstruck, Hasskommentare … Die Überlegungen bewegen sich zwischen philosophischen Theorien à la Adorno, Kant & Co. und wissenschaftlichen Abhandlungen von Haidt, Hofstede etc. Mal mehr mal weniger stehen sie in Kontext und werden von Hübl zu einer großen Argumentation verwoben. Darüber werden nicht nur politische Phänomene, sondern auch gesellschaftliche Themen wie Kleidung, Super Food, Impfverweigerung und Feminismus erklärt. Am Ende kommt man immer wieder beim Stichwort Emotionen heraus.
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