Ungebremst Richtung Pariser Innenstadt
Foto: mephisto 97.6

Die Kolumne zum Nachhören:
Liebe Hörerinnen und Hörer, lehnen Sie sich doch mal zurück, schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Sie rasen mit 100 km/h in einem Porsche Cayenne durch die Leipziger Innenstadt. Links und rechts rauschen die verspiegelten Fassaden der Stadtpaläste vorbei, ihr Daumen streichelt über ihr raues Wildlederlenkrad. Ihr Blick schweift in die Ferne. Während Ihnen klar wird, dass Sie es geschafft haben, schreit ihr Mitfahrer: Bremse
Denn ihr Wagen droht brachial gegen eine herannahende Betonwand zu krachen. Und auch als die GroKo ein Thema gegen die Wand zu fahren drohte, rief sie:
Wir haben uns in der Koalition grundsätzlich auf eine Mietpreisbremse geeinigt.
Volker Kauder, ehemaliger Voristzneder der CDU-Bundestagsfraktion
Diese Mietpreisbremse hat der damalige CDU Fraktionsvorsitzende Volker Kauder vor vier Jahren verkündet. Ohne jetzt anmaßend klingen zu wollen, aber vier Jahre sind für mich genug Zeit, damit eine Bremse tatsächlich auch etwas abbremst. Das hat sie aber nicht getan.
Steigende Mieten und DDR-Methoden
Im Gegenteil, die Mieten rasen weiter Richtung Londoner Niveau. In Berlin derart, dass dort jetzt eine neue Metapher schnelle Hilfe versprechen soll: der Mietendeckel. Kurz bevor der beschlossen wurde, hat aber die Vermieter_innenlobby noch mal alle Vermietenden aufgerufen, die Mieten anzuheben. Und was rufen wir Mietenden zurück? Enteignet die Eigentumsschweine? Dann heißt es aber wieder, das seien doch alles krausige DDR-Methoden. Übrigens auch eine DDR-Methode: Bezahlbarer Wohnraum, der das Unternehmen seinen Mitarbeitenden stellt. Das fordert auch eine kürzlich erschienene Studie, die feststellt, in Frankfurt leidet die Wirtschaft unter zu hohen Mieten. Wegen denen würden Arbeitnehmende nämlich lieber in günstigere Städte ziehen. Oh fuck, da geht es auf einmal nicht mehr um die Menschen, die aus ihren Wohnungen verdrängt werden, sondern um das Wirtschaftswachstum. Also den Grillanzünder für unseren Wohlstand.
Hypezig und ich
Oder eigentlich meinen ganz eigenen Wohlstand. Denn ich will mich ja schließlich wohlfühlen. Darum geht es dem selbstoptimierenden Tier Mensch am Ende: das ganz persönliche Glück in den eigenen vier Wänden. Dass ich mir das in manchen Teilen der Stadt nicht mehr leisten kann, darüber beschwere ich mich, am WG-Küchentisch, auf Demos oder in dieser Kolumne. Dass ich Alleinerziehenden, die sich keine 650 Euromiete leisten können, Wohnraum wegnehme, vergesse ich gerne. Genauso, dass ich als Studierender der Anstoß für die Gentrifizierungswalze bin. Denn Studis bringen Szene, Kultur und Lebensgefühl. Oder kurz das Werbesiegel Hypezig. Das wirkt auf Besserverdienende derart anziehend, dass sie gleich hier her ziehen, Designerbuggys durch die Straßen schieben und sieben Euro für ein Stück Käse im Bioladen zahlen. Zwar heizen durch Hypezig noch nicht so viele Porsche Cayenne, aber auch mit einem Fahrrad kann man ganz schön heftig vor die Wand donnern.
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