Prost auf Persisch
Foto: Narges Kalhor, Oasysdigital GmbH

Wir hatten die Gelegenheit, mit der Regisseurin Narges Kalhor über ihren Film zu sprechen – über den iranischen Humor, über die regionalen (Un-)Freiheiten der Filmschaffenden und über das Verarschen des Publikums. Das Interview gibt's hier zu hören:
Der Ursprung des Bieres
Es war einmal ein Land mit einer langen Geschichte, mit Geschichte(n) aus tausendundeiner Nacht. Es war einmal der Iran, die Wiege der Brauereikunst. Moment mal…, was? Ja, im Westen des heutigen Irans wurde schon vor rund fünftausend Jahren Bier gebraut…, sagt zumindest Wikipedia. Und genau das ist auch der Aufhänger des Films In the Name of Scheherazade oder Der erste Biergarten in Teheran. Narges Kalhor – selbst nach Deutschland migrierte Iranerin – legt beim DOK Leipzig einen Film vor, welcher vor geschichtlicher Aufarbeitung, orientalisch-okzidentalischen Absurditäten und ironischer Dekonstruktion der eigenen filmischen Darstellungsweise nur so strotzt. Aber der Reihe nach…
Same same, but different
Ein Film über den Iran kann funktionieren, indem man sich in die „Normalitäten“ des dortigen Lebens fallen lässt; das schaffen immer wieder die Filme des Regisseurs Ashgar Farhadi, etwa Nader und Simin – Eine Trennung (im Original: Dschodai-ye Nader az Simin) oder auch der Film Taxi Teheran (im Original nur: Taxi) von Jafar Panahi. Es geht allerdings auch gegenteilig, und zwar, indem man als Regisseur*in die iranische und die „westliche“ Lebensrealität in krassen Kontrast zueinander setzt. Das tut Narges Kalhor mit genüsslichem Zynismus, etwa, wenn in einer Szene von In the Name of Scheherazade oder Der erste Biergarten in Teheran gemeinsam mit einem deutschen Grafikdesigner ein passendes Logo für das titelgebende Biergarten-Projekt gesucht wird. Erster Entwurf: geht nicht, die verwendete Symbolik mit Löwe und Sonne stammt aus der Zeit vor der Revolution, in welcher der (übrigens von MI6 und CIA an die Macht gebrachte) Schah das Land gewaltvoll regierte – quasi ein so großes No-Go wie ein Hakenkreuz in Deutschland zu verwenden. Zweiter Entwurf: geht nicht, das historisch-persische Gemälde zeigt eine Frau ohne Kopftuch. Dritter Entwurf: geht nicht, wieder kein Kopftuch. Es sind solche gewaltigen Kleinigkeiten, mit denen Kalhor auf verschmitzte Art ihr eigenes Bild der kulturellen Unterschiede zeichnet.
Lach- oder Sachgeschichten?
Humorvoll ist dieser Film ohnehin. In vielen Szenen kann man sich beim Anschauen tatsächlich nicht einmal sicher sein, ob das Gezeigte nun wirklich „dokumentarisch“ ist, oder eine Mockumentary (letzteres ist vielleicht nicht jeder* und jedem* ein Begriff, eine Erklärung findet sich daher rechts oben am Rand dieses Artikels) – nein, Kalhor spielt beim Erzählen der Geschichte sogar ganz leichtfüßig mit diesem Moment der Unsicherheit. Viele der Szenen sind absurd bis an den Rand des Erträglichen, überschreiten diesen Rand jedoch nie (außer vielleicht in einer Szene, in welcher bei einer klischeehaft-künstlerischen Performance einige aufblasbare Sexpuppen auf die frisch entschleierte Performerin pinkeln – aber auch hier zeigt sich der Film herrlich selbstironisch). Das gilt unter anderem auch für die im Film immer wieder eröffnete Metaebene: ein fiktiver Dozent von Kalhors Filmhochschule stoppt zwischendurch immer mal wieder den laufenden Film. Im Standbild kommentiert er dann, was an ihrem Film angeblich nicht funktioniert. Seine Kommentare sind sehr „deutsch“, stilistisch festgefahren und rufen eine gewisse Fremdscham hervor. Zwischendurch ändert sie die Dramaturgie dann sogar komplett und beginnt ihre Erzählung von Neuem, ganz nach seinen Vorstellungen. Das heißt: Kalhor baut den Film plötzlich so auf, wie ein lupenrein reportagiger Dokumentarfilm in den Augen ihres Dozenten zu sein hat. Damit dekonstruiert sie nicht bloß effektiv ihr eigenes Medium und unterstellt es einer kritischen Betrachtung, nein: Selten wurde eine Metaebene so zugänglich, so locker und so witzig eingesetzt, wie in diesem Film.
Fazit: Teheran an den Speck!
In the Name of Scheherazade oder Der erste Biergarten in Teheran begibt sich vielleicht nicht auf bahnbrechend neues Terrain (oder Teherain? Okay, genug Wortspiele für heute), schafft es jedoch, wundervoll zu unterhalten. Und damit zeigt seine erst 35-jährige Regisseurin eine der wichtigsten filmischen Kompetenzen: das Publikum bis zur letzten Minute interessiert vor der Leinwand zu fesseln. Zwar klingt das nach einer gewissen Selbstverständlichkeit, jedoch ist dieses Talent auch (und vielleicht gerade) im Dokumentarfilm alles andere als selbstverständlich. Wer investigative Meisterleistungen zu den großen Geheimnissen dieses hierzulande nach wie vor orientalisch-geheimnisvoll behafteten Landes sucht, sucht in diesem Film zwar vergebens – ein wenig näher rücken sich der Iran und Deutschland jedoch trotzdem mit jeder Minute Spielzeit. Schon gewusst, dass Teheran seine ganz eigene Version der missglückten Flughafen-BER-Großbaustelle hat? Aber das erzählen wir in einer anderen Geschichte…
Hier könnt ihr euch den Filmtrailer anschauen:
Kommentieren