Messer - Die Unsichtbaren
Foto: This Charming Man Records

Morsche, hohe Töne brechen mit knarzigem und kraftvoll angeschlagenem Bass, ein hell pfeifendes, undefinierbares Wabern durchzieht die Musik, gespenstisch flackernd. "Ein Lichtertanz im Schattenland." - "Neonlicht", die erste Singleauskopplung von "Die Unsichtbaren", schafft eine ambivalente Atmosphäre und verweist auf die geisterhaft-düstere Grundstimmung eines hermetischen Albums.
Gute deutschsprachige Rockmusik mit intelligenten Texten - Ein Jahr nach ihrem vielbesprochenen und hochgelobten Debüt "Im Schwindel" veröffentlicht die Gruppe Messer aus Münster nun also ihr zweites Album. Die Erwartungen sind hoch, die Stimmung gespannt und schon nach dem ersten Hören ist klar, die Erwartungen werden nicht enttäuscht, die Spannung bleibt.
Hall und Rauschen
Aber von vorne: "Wir beginnen mit dem Stück »Angeschossen«" spricht Otremba ernst, im Hintergrund knistert und rauscht es leise, dann ertönt die tief in den Raum hallende Gitarre und formt mit einem noch zurückhaltendem Schlagzeug ein einminütiges, hypnotisches Intro. Angeschossen wirkt noch sehr gehalten, das zweite Stück "Die kapieren nicht" geht mit mehr Tempo und heiserem Gesang schon mehr nach vorne.
Es folgt eine Geisterbahnfahrt mit mehr Höhen und Tiefen als bei "Im Schwindel", das sich noch eher als Popmusik inszenierte. Die neue Platte hört sich hingegen als Rockalbum, ein tiefschichtiges, variations- und zitatreiches. Hier ein an die frühen Blumfeld erinnerndes Gitarrenintro, da ein (kaltes) klares Malaria!-Zitat, dort klingt es nach Kraftwerk, an anderer Stelle werden Assoziationen mit Joy Division-Post-Punk-geknüpft. Einflüsse der 80er ziehen sich durch die Musik. Dennoch klingt bei Messers Unsichtbaren nichts zusammengeschustert, nichts "retro". Messer schaffen es ihren eigenen Stil zu formen, was nicht zuletzt an der so bildlich mystischen wie sprachlich klaren Lyrik liegt. Aber auch musikalisch überzeugt "Die Unsichtbaren": mit geradlinigem Duktus, mit flächigen Gitarrenmelodien, hallendem Sound und Otrembas prägnanter Stimmfarbe.
Die Geister der Vergangenheit
Keine Retromania, keine Besessenheit von der Vergangenheit - wenn überhaupt, dann eine Hauntology, eine Besessenheit von den Geistern der Vergangenheit. Diese wird der Gruppe zumindest im Pressetext zu Album bescheinigt, mäzenhaft geschrieben von Literaturprofessor und Pop-Zeitschrift-Herausgeber Moritz Baßler, der jedoch mehr Fan als Mentor der Gruppe zu seien scheint. Otremba, der bei Baßler studiert hat, ist zweifellos ein Intellektueller. Seine Texte sind geistreich und lyrisch und wirken dennoch nicht hochtrabend, seine Sprache ist klar, sein Stil kantig. "Und am Ende dieser Worte werde ich damit sterben müssen, dass ich der bin, der ich bin / Und ich werde es bleiben müssen / Und es gibt etwas in mir, das brauchst du gar nicht wissen / Und du wirst es nie erfahren, wirst es nie erfahren müssen."
"Die Unsichtbaren" erweist sich als geisterhaft wie geistreich und überzeugt musikalisch wie textlich. Spannende deutschsprachige Musik, es gibt sie noch.
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