Veraltet oder zeitgemäß?
Foto: Felicitas Förster

Vier Thesen für einen zeitgemäßen Umgang mit klassischer Musik
Erstens: Klassik muss populär sein
Klassische Musik ist ein lebendiges Genre. Dennoch wird sie nicht als solches wahrgenommen. Vielen Menschen erscheint sie als ein Museumsstück. Sie wird scheinbar künstlich am Leben erhalten unter dem Motto: “Kulturelles Erbe”. Wir schauen sie an und nicken anerkennend. Dabei bedeutet sie uns nicht viel, erst recht nicht haben wir sie verstanden. Für Klassikliebhaber ein unhaltbarer Zustand. Ein Wandel muss her. Die Klassik muss zeigen, dass sie mehr ist, als nur belastendes Kulturgut. Sie muss aus ihrer Vitrine hervor – und den Massen entgegentreten. Denn sie allein können garantieren, dass klassische Musik in der Gesellschaft verankert wird.
Zweitens: Klassik braucht Stars
Popmusik würde es ohne Stars nicht geben. Sie sind ihr Aushängeschild. Aber nicht nur das. Sie bieten uns Konsumenten eine Leinwand. Auf diese können wir unsere Bilder projizieren, können uns vorstellen, diesen Menschen zu kennen. So kommen wir dem Star gedanklich näher. Letztlich können wir uns sogar mit ihm identifizieren, können davon träumen, selbst an seiner Stelle zu stehen. Darum bewegen Stars. Sie lösen in uns Emotionen aus. So binden sie uns in und an ihre Musik. Das funktioniert nicht nur im Pop, sondern auch in der Klassik. Darum sollten sich alteingesessene Klassik-Liebhaber nicht abschätzig über Stars wie David Garrett oder die Drei Tenöre äußern. Stattdessen sollten sie froh darüber sein, dass es sie gibt. Denn sie stärken das Band zwischen der Klassik und einer breiten Zuhörerschaft, auch wenn sie nicht immer das Niveau erreichen, das von elitären Klassikern gefordert wird.
Drittens: Klassik darf nicht zur Pausenmusik verkommen
Wer klassische Musik in der Gesellschaft verankern will, der muss sein Vorhaben ernst nehmen. Er darf also nicht versuchen, seinen Zuhörern die Klassik halbherzig unterzujubeln. Leider geschieht das viel zu häufig. Ein Beispiel bietet sich derzeit auf dem Marktplatz. Dort finden derzeit die Classic Open statt, ein Festival, das klassische Musik vermitteln will. Dort geben sich vor allem die local heros der Rockszene die Ehre. Die klassische Musik hingegen läuft hauptsächlich vom Band – unter dem Titel “Heitere Klassik”. Man könnte auch “Pausenmusik” sagen, denn seien wir mal ehrlich: Da hört doch keiner hin. Oder können Sie sich noch an die Musik erinnern, die vor oder nach einem Konzert im Saal gedudelt hat?
Viertens: Klassik muss ihren gehobenen Anspruch wahren
Ich möchte nicht jedes Klassikfestival verdammen. Es gibt einige intelligente Klassikfestivals, die es schaffen, ein großes Publikum zu erreichen und trotzdem ein gewisses Niveau zu halten. Mit Niveau meine ich: den gehobenen Anspruch an das Publikum, aber auch an die Musik. Wenn Leute heute ins klassische Konzert gehen, erwarten sie eine besondere Erfahrung. Das gilt auch und vor allem für junge Menschen. Sie werden von Konzerthäusern umworben – allerdings mit besonders seichten Programmen. Dabei ist es nicht das, was diese Menschen suchen. Sie gehen nicht ins Konzert, um dort mit der Musik zu schunkeln, sondern sie suchen nach diesem einzigartigen Erlebnis, das nur die ernste klassische Musik bieten kann. Die verlangt nun mal ein hohes Maß an Konzentration. Dafür aber belohnt sie ihre Hörer mit einer Tiefe, die die Popmusik nicht erreichen kann.
Den Beitrag zum Nachhören finden Sie hier:
Sprecher der Thesen: Michael Buchweitz
Was halten Sie von klassischer Musik?
An klassischer Musik scheiden sich die Geister. Für die einen ist sie das höchste aller Gefühle, für die anderen eine versnobte Kultur, die ihren Platz in der Vergangenheit hat. Wir wollten wissen, was die Leipziger davon halten und haben uns in der Innenstadt Meinungen eingeholt.
Mit Musik vom Columbia University Orchestra, imslp.org,CC BY-SA 4.0
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