Eher Belastung als Betreuung?
Foto: Jane Schmidt

Das Thema Arbeitslosigkeit in Deutschland wird neu beleuchtet. Dirk Kratz, Sozialpädagoge aus Hildesheim, interviewte Arbeitslose, für seine Doktorarbeit. Vorwiegend befragte er Langzeitarbeitslose, das heißt solche, die bereits seit mehr als einem Jahr auf Jobsuche sind. Die Ergebnisse seiner Studie äußerte er vor drei Tagen in einem Interview mit der Zeit: Die Verfahren der Bundesagentur für Arbeit helfen den Langzeitarbeitslosen nicht. Die Jobcenter richten somit durch ihre standardisierte Fallbearbeitung Schaden aus. Zum Beispiel werden den Arbeitslosen meist ihre Defizite vorgeworfen, anstatt dass ihre Berufserfahrung geschätzt wird. Dadurch wird ihnen das Gefühl vermittelt, dass diese nichts wert ist. Zur Verbesserung dieser Defizite werden den Arbeitsuchenden einfache mathematische Aufgaben und Übungen zur Rechtschreibung aufgetragen. Durch monatelange Suche nach Arbeit und dem Entscheidungsdruck durch die Behörden leiden Langzeitarbeitslose häufig an psychischen und medizinischen Problemen. Diese werden ihnen als Grund für die Erfolglosigkeit in Jobsuche vorgeworfen.
Situation in Leipzig
Wie die Arbeitslosensituation in Leipzig aussieht, erklärte uns Martin Richter, Pressesprecher der Agentur für Arbeit. In Leipzig gibt es im Moment 9500 Langzeitarbeitslose, was etwa einem Drittel der Arbeitslosen insgesamt entspricht. Davon ist jedoch ein Großteil der Langzeitarbeitslosen deutlich länger als ein Jahr unbeschäftigt. Trotz der Tatsache, dass die Zahlen in den letzten Jahren gesunken sind, seien die Schwierigkeiten der Situation nicht zu unterschätzen, äußert Richter. Die Anschuldigungen des Wissenschaftlers Dirk Kratz seien aber unreflektiert. Man müsse beachten, dass die Jobcenter an gesetzliche Rahmenbedingungen gebunden sind und nur über einen bestimmten Instrumentenkoffer verfügen. Die Bundesagentur ist sich wohl bewusst, dass man Arbeitslosigkeit nicht nur durch Jobvermittlung bekämpfen kann. Es ist bewiesen, dass Arbeitslosigkeit psychisch krankmacht. Daher müsste man von vielen Seiten ansetzen, um den Langzeitarbeitslosen zu helfen. Im Moment sei es jedoch schwer, mit den gesetzlich gegebenen Möglichkeiten die notwendige Unterstützung aufzubauen. Die Bundesagentur für Arbeit versuche bereits in Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Krankenkassen Mittel zu finden, um präventiv gegen die psychischen und medizinischen Probleme der Arbeiter vorzugehen. In Leipzig gäbe es zudem noch Sonderprogramme, wie die Zusammenarbeit mit Psychologen der Universität, die regelmäßig Langzeitarbeitslose betreuen. Darüber hinaus finde am 15. März der Gesundheitstag statt, um den Arbeitslosen Einblicke in das Leipziger Angebot an Gesundheitsförderung zu bieten.
Hoher Entscheidungsdruck
Es ist jedoch zu bezweifeln, ob Maßnahmen dieser Art ausreichen, um die Probleme der Langzeitarbeitslosen zu lösen. Für Dirk Kratz ist die Problematik auf grundlegendere Dinge zurückzuführen. Er prangert den hohen Entscheidungsdruck auf die Arbeitslosen an. Die Sanktionen, die ihnen drohen, wenn sie zum Beispiel eine Stelle nicht annehmen, seien eine enorme psychische Belastung. Um diese zu verhindern, müsse man das gesamte Modell der öffentlichen Beschäftigung umstellen.
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