Die grüne Oase in der Stadt
Foto: Maximilian R. Fichtner

Das leicht versteckte alte Eingangstor und die hohe, leicht verwucherte Steintreppe wirken auf den ersten Blick wenig einladend. Doch dahinter liegt der Gemeinschaftsgarten von Annalinde mit einer Anbaufläche von insgesamt 200 Quadtratmetern.
Pflanzenvielfalt mitten in der Stadt

Besonders wichtig im Sommer: Pflanzen bewässern Foto: Maximilian R. Fichtner
Umgeben von Straßen und Wohnhäusern mitten in Lindenau wirkt er so wie eine grüne Oase in der großen Stadt. Als ich dort ankomme, sind schon ein paar Helfende fleißig dabei, den Garten zu bewässern, damit jetzt im heißen Sommer möglichst keine Pflanze austrocknet.
Die Anbaufläche wird optimal genutzt: die Hochbeete, in denen das Gemüse angepflanzt wird, sind angeordnet, als seien sie mit dem Lineal gezogen worden. Außerdem gibt es noch ein Gewächshaus und eine überdachte Gartenküche und einen Pizzaofen, um das geerntete Gemüse direkt in leckere Gerichte zu verwandeln. Zwischen zwei Baumstämmen ist eine Hängematte gespannt und eine kleine Holzbühne gibt es auch. Jeden, der vorbeikommt, erwartet eine große Pflanzen- und Gemüsevielfalt. Bei einem Rundgang durch den Garten finde ich Tomaten- und Zucchinipflanzen, Kohlrabi, Kürbis, Mais und Bohnen. Auch jede Menge Kräuter gibt es, wie den Sauerampfer. Natürlich wird mit System gepflanzt. So stehen Zwiebeln und Möhren im selben Beet, um sich Fressfeinde vom Leib zu halten. In einem anderen Beet sind Kürbis, Mais und Bohnen zusammen angepflanzt. Die Maispflanze dient als Rankhilfe für die Bohnen. Ein exotisches Highlight sind mit ihrer grellorangenen Farbe die Andenbeeren, auch Physalis genannt.
Urbane Landwirtschaft für alle
Im Jahr 2011 kauften zwei Gartenbauingenieure und Hobbygärtner das Gelände an der Zschocherschen Straße, um sich gegen die sich anbahnende Gentrifizierung und den Bauboom in der Stadt auszusprechen. Ein Jahr später gab es dann erste offene Gartentage, bei denen Ehrenamtliche mit anpacken konnten. Der Gemeinschaftsgarten gehört zur gemeinnützigen GmbH Annalinde, die gleichzeitig noch zwei Gärtnereien und eine Streuobstwiese in Leipzig betreibt.

Die Pflanzenvielfalt im Gemeinschaftsgarten Annalinde Foto: Maximilian R. Fichtner
Annalinde will die Menschen in der Stadt an die städtische Landwirtschaft und an Themen wie Umwelt- und Naturschutz, Biodiversität und Artenvielfalt heranführen. Und zwar auf eine möglichst einfache und zugängliche Weise. Deshalb gibt es eine Vielzahl anderer Veranstaltungen von Annalinde: von Kräuterwanderungen, Seifenworkshops über Theater, Lesungen, Konzerte oder Gartendinner. Der Garten ist auch Begegnungsort im Stadtteil. Gaelle ist Masterstudentin aus Frankreich und macht derzeit ein Praktikum bei Annalinde. Besonders begeistert sei sie von der offenen, kontaktfreudigen Stimmung im Garten.
„Es gibt immer neue Projekte, neue Ideen und nie sind zwei Wochen dieselben.“
Gaëlle, Praktikantin im Gemeinschaftsgarten
Wer neu im Garten ist, wird von den erfahrenen Ehrenamtlichen bei den ersten Schritten unterstützt. Einige von ihnen sind schon von Anfang an mit dabei und haben sich ihren grünen Daumen hobbymäßig angeeignet. Anlaufstelle ist für jeden zunächst die große Tafel neben der Küche, auf der alle anstehenden Aufgaben notiert sind. Heute stehen die Tomatenpflanzen im Mittelpunkt. Außerdem werden Möhren geerntet, Himbeeren und Stachelbeeren gepflückt, kleine grüne Setzlinge angepflanzt und Unkraut gejätet.
Ein zukunftsfähiges Konzept?
Doch auch der Gemeinschaftsgarten kommt irgendwann an seine Grenzen. Natürlich kann man damit kein komplettes Stadtviertel ernähren. Doch im Gemeinschaftsgarten geht es nicht nur um das Thema Ernährung, wie mir Sebastian Pomm erklärt, der schon länger Mitarbeiter bei Annalinde ist.

Foto: Maximilian R. Fichtner
„Gemeinschaftsgärten sind multifunktionale Grünflachen, auf denen immer wieder auch dieses Thema Artenvielfalt und die Bedeutung von Grün für die Stadt kommuniziert wird.“
Sebastian Pomm, Mitarbeiter bei Annalinde
Rechtlich und finanziell muss von den Kommunen und vom Bund jedoch ein geeigneter Rahmen geschaffen werden, damit Gemeinschaftsgärten zukunftsfähig bleiben. Sebastian Pomm hat genaue Vorstellungen davon, wie er sich eine solche Unterstützung für Kleingärten vorstellt:
„Es gibt bereits das Bundeskleingartengesetz. Ich würde mir wünschen, dass es so eine Art Gesetz auch für Gemeinschaftsgärten gibt.“
Sebastian Pomm, Mitarbeiter bei Annalinde
Gerade einmal zwei Stunden lang bin ich an diesem Nachmittag im Gemeinschaftsgarten von Annalinde. Wie wichtig dieser für die Stadt und die Menschen ist, die dort zusammenkommen, merke ich sogar in dieser kurzen Zeit. Auch wenn das Gärtnern harte Arbeit ist: Die offene Stimmung der Menschen, die vielen Pflanzen und das satte Grün machen den Gemeinschaftsgarten zu einem entspannenden Ort, den man in der großen Stadt oft vergeblich sucht.
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