"When I'm Lonely I Press Play"
Foto: Toni Rosado, flickr.com, CC-BY-NC 2.0

Was lange währt...
Bereits im September 2011 hatte Damon Albarn angekündigt ein Solo-Album zu veröffentlichen. Die Arbeit daran hat er dann aber bis zum letzten Jahr vor sich hergeschoben. Bei dem Projekt Africa Express, für welches er in Mali mit verschiedenen englischsprachigen und malischen Musikern innerhalb von nur fünf Tagen ein Album produzierte, traf er auf den Produzenten Richard Russel. Beide wollten auch über das Projekt hinaus zusammenarbeiten. Mit beinahe 50 Jahren schien es jedoch recht unsinnig eine neue Pop-Gruppe zu starten. Also stürzten sich beide auf Albarns Solo-Debüt, welches die melancholische, introvertierte Seite des Sängers offenbart. Albarn ließ den befreundeten Produzenten aus etwa 70 Stücken auswählen, was auf die Platte sollte. Beobachtungen und Erlebnisse von damals und heute finden sich auf dem Album wieder. Sehr persönlich also. Ruhig, melancholisch und dennoch spannend.
Generation "White Face"
Wenn Damon Albarn sich umschaut, sieht er versteinerte Menschen, die wie Roboter in der Gegend herumstehen. Den Blick auf den Bildschirm gerichtet, das Gesicht weiß vom Leuchten des Displays. Als Damon vor 26 Jahren am Anfang seiner Musik-Karriere stand, gab es keine Smartphones. Niemand hatte permanent eine Kamera zur Hand. Eines Tages wird die Menschheit nur noch Daumen haben. Das nimmt Albarn angesichts der übermäßigen Handy- und Videospiel-Controller jedenfalls an. Die erste gleichnamige Singleauskopplung des Albums "Everyday Robots" beschäftigt sich mit eben diesem stupiden vor sich hin vegetieren.
Kopfhörer tragend wird sich durch den Alltag bewegt. Mit technischen Scheuklappen könnte man sagen. Um die eigenen Unsicherheiten zu verdrängen, wird sich abgeschottet. In Albarns Augen ist die einzige Rettung: ein kleines gleichschenkliges Dreieck. "If you're lonely, press play", heißt es im Song "Lonely Press Play".
Ausnahmen bestätigen die Regel
Der Song "Mr Tembo" ist wohl das beste Beispiel dafür, was passiert, wenn man offen und mit großem Blickwinkel durch die Welt zieht. Albarn singt von einem Babyelefanten, den er in Tansania "getroffen" hat. Soundmäßig ist der Track untypisch für das ganze Album. Der Sänger zückt die Ukulele, klingt beinahe wie Jack Johnson und auch die Stimmung ist im Gegensatz zu den anderen Liedern eher fröhlich. Begleitet vom "The Leytonstone City Mission Choir" erinnert sich Albarn an den kleinen Elefanten, der von seiner Mutter verlassen in einer Art Zoo in Mkomazi in Tansania von seinen Freunden aufgezogen wurde und täglich bei ihnen vorm Fernseher gesessen hat, um christliches Gospel-Fernsehen zu schauen. Wenn man die Augen aufmacht, kann einem eben so viel Schönes passieren.
Am Ende wird genickt
Damon Albarn hat Recht. Eltern und Großeltern könnten sich den Mund fusselig reden. Doch wer lässt sich nicht gern vom Künstler selbst sagen, dass man sein Handy in der Tasche behalten soll. Erst dann ist es möglich, seine Umwelt wieder richtig wahrzunehmen. Ein Konzert wird eben doch nur zum Erlebnis, wenn man es mit eigenen Augen und Ohren aufgenommen hat, anstatt es via Smartphone oder Tablet als Datei abzuspeichern, die in den ewigen Abgründen der Festplatten verschwindet, wie der Song "Photographs (You Are Taking Now)" betont.
Das Album klingt wie "Leute, erinnert euch doch mal an früher. Ihr könnt das besser!". Umflossen wird das Ganze von Klavier, Klarinette und Blechbläsern; quietschen, klirren und klappern. Zwar läuft es Gefahr langweilig zu werden, da sich die Lieder von der Grundstimmung und Instrumentalität doch sehr ähnlich sind, steigt der Hörer aber in die Texte ein, so eröffnet sich auch im Zusammenhang mit der eigentlichen Musik immer wieder noch ein neuer Aspekt und man kann eigentlich nur zustimmend mit dem Kopf nicken.
Wem das nicht reicht, der sollte sich definitiv die Kommentare zu den einzelnen Tracks vom Meister selbst anhören:
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