Akustische Melancholie
[PIAS]

Einer dieser Trends, bei denen man ganz froh ist, dass sie ausgestorben sind, ist der Emo. Die meisten von uns erinnern sich wahrscheinlich daran, wie junge Mädels und Kerle aus dem Nichts angefangen haben, Flanellhemden, Palitücher und dicken Eyeliner zu tragen. Jaja, es war wie ein Autounfall, man musste einfach hinschauen. Die wenigsten wissen allerdings, dass Emo als Musikgenre wirklich nur im entferntesten Sinne mit diesen Hobbyritzern zu tun hat.
Eigentlich ist Emo nämlich Mitte der 80er Jahre aus dem Hardcorepunk entstanden. Die jungen Musiker hatten damals einfach Bock, Punk mit nachdenklichen Texten zu machen. Einer der Vorreiter des Genres war die Band Cap’n Jazz aus Chicago. Mit von der Partie waren damals auch die beiden Brüder Mike und Tim Kinsella. Seitdem hat Mike Kinsella geschätzt eine Quatrilliarden Alben mit verschiedenen Bandprojekten veröffentlicht. Eines dieser Projekte ist Owen, welches 2001 das Licht der Welt erblickte. Mit "The King of Whys" kam jetzt deren neuntes Studioalbum raus.
Minimalistische Folkklänge
Eins vorweg: Mit Chemical Romance haben sie musikalisch jetzt nicht vo viel gemeinsam. Ihr Sound ist doch eher minimalistisch und geht in Richtung Folk. Ein Song auf "The King of Whys" ist in der Regel aus fluffigen Arpeggio Riffs auf der Akkustik Gitarre, sanften Klaviertönen und ab und an sogar mal ein paar Anschlägen auf der E-Gitarre aufgebaut. Dabei sind die Lieder alle eher ruhig, eine der schnelleren Nummern ist noch der Opener "Empty Bottle" und die erste Single "Settled Down". Die Songstrukturen sind eher unkonventionell, teilweise gibt es einfach keinen richtigen Refrain. Das geht auch Hand in Hand mit den eher emotionaleren Texten, die schon fast gedichthaften Charakter haben.
Geliebte Traurigkeit
Textlich bewegt sich das Album eher zwischen nachdenklich und „Oh Gott, ich bring mich gleich um“. Gut, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben ausgedrückt, aber die Emotionalität der Texte ist auf jeden Fall Alleinstellungsmerkmal von Owen. Man schaue sich zum Beispiel den Song Tourniquet an:
If you give me this battle
I’ll pretend like there isn’t a lifetime of bitterness inside of me
An ugliness I hide from you
So, give me that goddamn bottle
And leave me alone
Thematisch geht es in den Songs häufig ums Alleinsein, um Isolation von seinem Umfeld und einer gewissen Sehnsucht. Nach 30 Jahren als Musiker drehen sich diese Gefühle bei Mike Kinsella auch nicht mehr etwa um irgendwelche verflossenen Liebschaften. Er ist mittlerweile Familienvater, seine Sehnsucht die nach einem warmen Zuhause.
Fazit
"The King of Whys" ist ein Album, das nicht viel fordert. Man legt es ein und ist eigentlich sofort drin. Und wenn das Album dann durch ist, schreckt man schon fast auf und fragt sich „Was? Schon vorbei?“ Der akustische Sound der Platte ist unaufgeregt und lädt zum Schwelgen ein, hat teilweise aber auch an manchen Stellen seine Längen. Die emotionalen Texte sind recht bildreich und gehen sofort ins Herz, auch wenn sie dem ein oder anderen vielleicht etwas kitschig erscheinen mögen. Die Emofans der ersten Stunden werden bei der Platte aber auf jeden Fall ihre Freude (oder was auch immer man als Emofan dabei erlebt) haben.
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