Bezahlen mit dem Handgelenk
Bild: Johanna Hertel

Wenn auf grünen weiten Flächen ein Meer aus Tausenden Zelten entsteht, dann ist klar – es ist wieder Festivalzeit. Genauso bunt sah es auch beim diesjährigen melt!-Festival aus, wo circa 20.000 Besuchende vier Tage lang die Nacht zum Tag machten. Neben musikalischen Acts wie Bon Iver und Bilderbuch gab es auch wieder zahlreiche Essens-, Getränke- und Merchstände. Doch eins war auf dem melt! anders – das Bezahlen mit Bargeld war nicht möglich. Bezahlt wurde hier mit dem Handgelenk. Der gesamte Bezahlvorgang läuft über einen RFID-Chip ab, der am Festivalband angebracht ist. Somit soll der Bezahlvorgang erleichtert werden.
Kein Bargeld mehr mitschleppen
Sebastian Hupfer von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig sieht das Bargeld immer noch als den Klassiker unter den Bezahlmethoden an. Natürlich seien alternative Bezahlsysteme wie das bargeldlose Bezahlen deutlich bequemer, so Hupfer. Aber vor allem muss kein Bargeld mit aufs Festival mitgeschleppt werden.
Diesen Vorteil haben auch viele Festivalbetreibende erkannt. Seit einigen Jahren nimmt die Bezahlmethode mit dem Chip weiter zu. Zudem muss so kein Wechselgeld aufs Festival transportiert werden. Das melt!-Festival sieht in der sogenannten Cashless-Payment-Methode noch andere Vorteile:
Dadurch beugen wir nicht nur Diebstahl vor und erhöhen die Sicherheit, sondern Du kommst dazu an der Bar noch um einiges schneller zu Deinem Getränk.
Website melt!-Festival
In einem kurzen Video wird die Bezahlmethode auf der Website des melt! für die Besuchenden erklärt:
Mehr Sicherheit, kürzere Wartezeiten am Getränkestand – damit wirbt das melt!-Festival auf seiner Website. Die Meinungen der Festivalbesuchenden gehen beim bargeldlosen Bezahlen jedoch auseinander. Viele sind mit der bargeldlosen bezahlmethode zufrieden. Jedoch gibt es auch kritische Stimmen:
Ich find das auch blöd, dass auf den meisten Festivals die Getränke oder das Essen vielleicht nicht so keine runden Beträge haben, sodass man auf jeden Fall am Ende was übrig auf seinem Band hat. Da muss man eben ordentlich kalkulieren.
Besucherin des melt!-Festivals
Eher eine Marketingstrategie?

Festivalbesuchende des melt! sind mit der bargeldlosen Bezahlmethode insgesamt zufrieden. Bild: Lea Kalinowsky
Zum bargeldlosen Bezahlen gibt es mehrere wissenschaftliche Ansätze. Einer ist Sebastian Hupfer zufolge der sogenannte Pain of Payment, eine Art Bezahlungsschmerz. Dieser ist beim Bezahlen mit Bargeld am stärksten. Wird aber auf andere Bezahlsysteme gewichen, wird somit auch das Bezahlen indirekter. Der Verlustschmerz kann dadurch minimiert werden, so Sebastian Hupfer. Seiner Meinung nach hat sich genau deshalb die Bezahlmethode so verbreitet: Konsumierende können sich dadurch mehr aufs Vergnügen konzentrieren. Doch das kann schnell zum Kontrollverlust führen.
In dem Moment, in dem ich auf Chips umwechsle oder auf eine andere Währung, muss ich in meinem Kopf völlig neu denken und das führt natürlich dazu, dass ich den Überblick über meine Kosten verliere.
Sebastian Hupfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Uni Leipzig
Das führt dazu, dass Besuchende mehr ausgeben, als geplant. Der Veranstalter gewinnt damit mehr Kontrolle: Das Bezahlen mit dem Chip kann so zur Marketingstrategie werden.
Besuchende werden "gläsern"
Aber nicht alle Festivals greifen auf bargeldlose Bezahlmöglichkeiten zurück und sehen das Cashless-Payment eher kritisch. Alexander Dettke ist Produktionsleiter auf dem Wilde Möhre Festival. Vor drei Jahren hat sein Team die Bezahlmethode analysiert und Festivalgäste befragt. Da gab es viel Kritik am bargeldlosen Bezahlen. Ein Grund dafür war laut Dettke das Problem des Zurückzahlens der aufgeladenen Karten. Es gibt leider auch Veranstaltende, die das Zurückzahlen gezielt schwer machen. Das kam bei den Festivalgästen nicht gut an. Deshalb sind solche Systeme eher verschrien, so Dettke.
Auf dem Wilde Möhre Festival wird deshalb nach wie vor mit Bargeld bezahlt. Neben der Problematik des Zurückzahlens spielt für Dettke auch der Datenschutz eine Rolle:
Man macht sich als BesucherIn recht gläsern, wenn man als Veranstaltender diese Daten auswertet. Das gefällt sicherlich nicht jedem. Und häufig werden dann natürlich auch Querverbindungen zu den Tickets gezogen und letztendlich zu den Werbemaßnahmen, die online laufen.
Alexander Dettke, Produktionsleiter Wilde Möhre Festival
Entscheidung liegt beim Festivalbetreibenden
Das Wilde Möhre Festival nutzt die bargeldlose Bezahlmethode nicht. Ein Grund dafür ist auch, dass dazu eine Internetverbindung nötig ist, die häufig auf den Festivalplätzen fehlt. Die meisten Festivals finden nämlich abgeschieden in der Natur statt. Allerdings wird schon an weiteren Lösungsansätzen gearbeitet, erklärt Alexander Dettke. Es gibt verschiedene Konzepte:
Es gibt welche die funktionieren mit Internet und welche ohne, welche mit Sofortauszahlung, andere bei denen das nicht geht. Welche die Daten tracken, andere wo das verhindert wird. Also die Variation ist unheimlich groß.
Alexander Dettke, Produktionsleiter Wilde Möhre Festival
Letztlich müssen die Festivalbetreibenden entscheiden, wo ihre Interessen liegen und welches Bezahlsystem sie demzufolge nutzen wollen. Eins ist für Dettke besonders wichtig: Die Besuchenden müssen ihr Geld wieder zurückbekommen.
Der Beitrag zum Nachhören:
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